Dies sind die Gewinner*innen der achtzehnten Ausgabe des KFFK/Kurzfilmfestivals Köln. Drei Jurys vergaben fünf Preise. Dazu wurden sowohl im Deutschen Wettbewerb als auch im Kölner Fenster je ein Publikumspreis vergeben. Die Jurybegründungen sind hier zu sehen:
JURYBEGRÜNDUNG
Das Herz eines besiegten Ungeheuers liegt am Meeresgrund, versteinert und dennoch immer noch wütend. Seit jeher schlummert es dort und verzeichnet Unterdrückung und Vertreibung. Es vergisst nichts und fordert jetzt die Filmemacherin zum Gespräch auf. Der Dialog bleibt fragmentarisch, von Schwere, Erschöpfung und sprachlichen Umwegen geprägt. Nichts ist klar, alles kommt mehrmals und allgegenwärtig das Ahnen einer Katastrophe, was in der Vergangenheit liegt, aber sich jederzeit wiederholen könnte.
Ararat, Artos, Zilan, Wan. Mythische Orte der kurdischen und armenischen Landschaft, die von Tragik und Ursprung erzählen.
Langsam formiert sich beim Betrachter*in ein Gefühl von sickender, dickflüssiger Trauer, das wie das Blut zweier ermordeten Völker durch die Ritzen der Landschaft bis in den See fließt, um verdunstet wieder auf die Berge zu regnen.
Es ist kein Zufall, dass es zitternde, abstrakte Landschaftsbilder sind, die uns langsam in diesen komplexen filmischen Kosmos einführen. Durch Abstraktion und Reduktion öffnet der Film Räume für eine Sprache des Unsagbaren und macht das kollektive Trauma erfahrbar. Erst in der zweiten Hälfte der Erzählung tauchen Zeichen von Zivilisation auf und damit die Möglichkeit konkreter zu werden: ein paar Schafe, dann Häuser, Kinderhände und schließlich einen schüchtern schauenden Vater. Alles ist miteinander verwoben und eben politisch — auch wen man liebt. Das in Fragestellen der Daseinsberechtigung einer queeren Liebe in einer kurdischen, linken Familie, so wie die zweier ganzer Völker. Es ist dieser präzise dramaturgische Aufbau des Films, welcher den Übergang zwischen all dieser Ebenen fließend macht.
JURYBEGRÜNDUNG
Ein Raunen geht durch den Kinosaal und eine Triggerwarnung wird ausgesprochen: „Setzt euch eher an den Rand, wenn ihr einen nervösen Magen habt“, lautete die warnende Ankündigung. Schon bevor der Film beginnt, entsteht eine spürbare Spannung, eine Unruhe im Raum, versehen mit einer aufgeregten Leichtigkeit.
Eine außergewöhnliche, kollektive filmische Erfahrung, in der die Filmemacherin es schafft ein Gefühl ihrer Tortur auf den Zuschauer zu übertragen und mit reduzierten Mitteln zu leiten und zu begleiten. Die Protagonistin kotzt und kotzt und kotzt. Sie kotzt so viel, dass es annähernd unerträglich wird dem zu folgen. Zum Glück findet die Protagonistin den Weg zur psychiatrischen Behandlung, wo sie medikamentös eingestellt wird und erkennt, dass sie ihre Gefühle nicht ignorieren darf, was das letzte Puzzlestück für ihre bipolaren Episoden symbolisiert. Ihre Zimmernachbarin erkennt in ihr eine göttliche Person und das Gespräch zu Gott scheint der letzte Ausweg.
Eine humorvolle, beinahe spielerische Montage, ein Musikstück, an Stellen, an denen die Leere unerträglich wäre und die teilweise ironisch-nachdenklichen Texteinblendungen, stützen durch diese schonungslose und ausweglose Reise. Es ist ein Film, der fordert – und gleichzeitig zeigt, wie wichtig es ist, diese Herausforderung anzunehmen.
Danke, Miranda, für Deine Offenheit, diese Geschichte zu erzählen. Für deine Ehrlichkeit, die kollektiven Emotionen, die du im Kinosaal ausgelöst hast, und für die eindrucksvolle Darstellung, wie tiefgreifend und komplex psychische Erkrankungen sein können. Und danke dafür, dass du sogar das Kotzen – roh und ungeschönt – in einen besonderen, poetischen Rhythmus verwandelt hast.
JURYBEGRÜNDUNG
Wie hoch ist der Preis für ein Leben ohne Schmerz und komplizierte Gefühle? Wie weit sind wir in einer Leistungsgesellschaft — auf dem Weg der Selbstoptimierung — bereit zu gehen, um uns von den menschlichen Lastern und Widersprüchen zu befreien? Herr Ham will gar sein Herz entfernen lassen. Und doch fällt der Abschied schwer.
Es ist eine einerseits unaufdringliche Bildwelt, die sich in einem schnörkellos komponierten Animationskurzfilm entfaltet. Und sich zugleich soghaft und malerisch über unseren Sinnen ausdehnt.
Benannt ist dieser Film übriges nach dem japanischen Namen einer stressbedingten Herzmuskelerkrankung, doch tatsächlich leitet sich die Wortherkunft von einem Phänomen ab, das bildhafter kaum wirken könnte: Von einer japanischen Tintenfischfalle in Form eines Kruges mit kurzem Hals. Wie diese Tintenfische fühlen wir uns sicherlich alle mal gelegentlich, auch wir in der Jury.
Und nur drei pointierte und tief schürfende Dialoge reichen in diesem Film, um die existenziellen Fragen des Lebens in einigen wenigen nachdenklichen Sätzen und Bildern auszubreiten, als wäre es ein langes Buch mit unendlichen Kapiteln. Die Filmemacher*innen zeigen, zu was das Format Kurzfilm in der Lage ist: straffen, verdichten, erstaunen. Wir sind begeistert.
Lobende Erwähnungen im Deutscher Wettbewerb
En el mismísimo momento (Regie: Federico Luis & Rita Pauls)
Tough Moves (Regie: Jakob Michal)
JURYBEGRÜNDUNG
Vor uns ragt eine ägyptische Sphinx in den Himmel. Doch plötzlich wird diese von einem gigantisch wirkenden Jungen erklettert, der für ein Foto posiert, das seine hinter uns stehenden, ebenfalls riesig wirkenden Eltern von ihm machen. Im besten Sinne unaufgeregt – ohne großes Effektfeuerwerk und ohne sich selbst zu ernst zu nehmen – setzt unser Gewinnerfilm die Möglichkeiten des VR-Mediums geschickt ein, um uns sonst unzugängliche, verborgene Perspektiven zu eröffnen. An die Welt der Giganten aus Gullivers Reisen erinnernd, entführt er uns in einen Park voller Tourismusattraktionen in Miniaturgröße. Dabei übernehmen wir den Blickwinkel der Kompakt-Kopien historischer Gebäude und Denkmäler, sind damit den ständigen Blicken der Besucher*innen und dem ständigen Klicken der Kameras ausgeliefert.
Ein Zwischenstopp in der Werkstatt, wo die detailgetreuen Miniaturen historischer Statuen entstehen. Zwischen diesen präzisen Nachbildungen beobachten wir einen kreativen Schaffensprozess, der Fragen nach Kultur, Kunst und Kitsch aufwirft – und uns dennoch den Freiraum lässt, eigene Antworten zu finden. Schließlich werden wir, im Modell eines griechischen Tempels gefängnisgleich hinter Säulen stehend, von zwei Männern durch den Park an unseren Bestimmungsort getragen, schon jetzt unter der ständigen Beobachtung durch die Tourist*innen. Auf wen oder was schauen wir herab, zu wem oder was schauen wir herauf?
JURYBEGRÜNDUNG
Hilke Rönnfeldt ist ein kritischer und einfühlsamer Kurzfilm gelungen. An der Oberfläche geht es um Empathie und das Projekt einer Kunststudentin. Der Film „A Study Of Empathy“ enthält aber auch eine wichtige Kritik am institutionalisierten Kunstbetrieb und der Medienbranche und dem Umgang mit ihren Protagonist:innen.
Die etwas mehrgewichtige Dana meldet sich freiwillig für ein Kunstprojekt der ambitionierten Kunststudentin Penelope. Es soll um Empathie gehen. Dana hat es sich eigentlich gerade mit Keksen auf dem Sofa gemütlich gemacht, als es klingelt. Freundlich lässt Dana Penelope in ihre etwas unaufgeräumte Wohnung. Die schlanke Kunststudentin baut zielstrebig ihre Kamera auf. Für ihr Projekt beginnt sie nun, sich vor Dana auszuziehen. Die Kamera zeigt einfühlsam Danas Verlegenheit. Die jetzt nackte Penelope beginnt Dana einen Brief vorzutragen. Darin geht es um den sexuellen Missbrauch durch ihren Vater. Die Zuschauer:in fühlt mit Dana, die nicht weiß, welche Reaktion von ihr erwartet wird. Das laute Geräusch der Heizungsrohre erlöst Dana aus der Situation und ihrer Verlegenheit. Das wars, Penelope beginnt ihre Fotokamera wieder einzupacken.
Bei der Ausstellungseröffnung einige Wochen später kann Dana kein Foto von sich entdecken. Die Fotos mit anderen Protagonist:innen und ihren Reaktionen auf Penelope und den Missbrauch werden vom Ausstellungspublikum anerkennend kommentiert. War Danas Foto nicht gut genug für die Ausstellung? Dana kann ihre Enttäuschung und Verletztheit nur schwer verbergen. Ihre Reaktion auf die Missbrauchsgeschichte war offenbar nicht gut genug, um ausgestellt zu werden.
Die WDR-Jury war von der Leistung der Schauspielerinnen und ihrer Inszenierung durch die Regisseurin Hilke Rönnfeldt beeindruckt. Dana wird als freundlich und warm, Penelope als distanziert und kühl inszeniert. Die Kritik am institutionalisierten Kunstbetrieb ist in eine fein ausgearbeitete filmische Erzählung eingebaut. Es geht oberflächlich um Empathie, die aber ausgerechnet die Künstlerin ihrer Protagonistin nicht entgegenbringt.
Es geht auch um Verletzlichkeit und Scham im Umgang mit Körperlichkeit. Und darum, wie herablassend und sogar verächtlich in der Kunstbranche mit Menschen umgegangen wird, die nicht den schönen Standards entsprechen. Was leise daher kommt, wird durch das überraschende Ende zu einer wuchtigen Kritik am institutionalisierten Kunstbetrieb und dem Umgang mit seinen Protagonist:innen.