Dies sind die Gewinner*innen der neunzehnten Ausgabe des KFFK/Kurzfilmfestivals Köln. Drei Jurys vergaben fünf Preise. Dazu wurden sowohl im Deutschen Wettbewerb als auch im Kölner Fenster je ein Publikumspreis vergeben. Außerdem entschied das Publikum über den besten maximal 60-sekündigen Kurzfilm im Battle of the Shorts. Die Jurybegründungen sind hier zu sehen:
JURYBEGRÜNDUNG
Mit einer beruhigenden Langsamkeit bewegen wir uns in einem Schneckenhaus der Erinnerung. Symbole der Zeit werden in einem ästhetischen Spiel hin und her gewendet und erwecken ein Gefühl für das Alt-sein. Dazwischen zeigen alte schwarz-weiß Fotografien und Interviewfetzen den Versuch ein ganzes Leben zu archivieren. Doch das Zuhause zu bewahren scheint unmöglich. Wir sehen Hände, die nach Halt klauben, die einen Lieblingsmantel nicht vergessen können, und hören einen absurd-komischen Dialog über das Alter. Der Film stellt Fragen nach der Vergangenheit – was wird bleiben, wie will ich gelebt haben? — und antwortet mit Humor und berührender Zartheit. Ein warmes Aufheben von bald Vergangenem.
JURYBEGRÜNDUNG
Kleine Lichtpunkte in der Dunkelheit, wie ein Universum. Die Punkte vergrößern sich, und bieten den schemenhaften Blick in eine Außenwelt. Wie viele Camera Obscuras. Dann der Blick auf die Makrostruktur der durchlöcherten Rinde eines toten Baums von außen – vieler toter Bäume.
Langsam entfaltet sich ein ganzes Universum durch die poetischen Bildreime, die den Film formen. Durch eine präzise und zugleich sensorische Bildsprache eröffnen sich ökologische, historische und poetische Räume, die sich in kurzen Kapiteln abwechseln. Von einem ausgestorbenen Monokulturen-Wald, über Fossile, hin zu einer Zeremonie, wie eine mythische Geisteraustreibung.
Dabei bietet dieser Film einen zarten, fast spirituellen Blick auf die Komplexität unserer Umwelt.
JURYBEGRÜNDUNG
Eine Blume wird zum Symbol, das uns in Zukunft an die Schicksale erinnern soll, die ein autoritärer Staat zu verwischen versucht. Ein Film, der in fluoreszierenden Farben die Schicksale derer aufleuchten lässt, die für immer verdunkelt bleiben sollten. Mit vielfältigen Animationstechniken, werden Posen des Trauerns, des Schocks betrachtet. So wird eine besondere Annäherung an erschütternde Schicksale von Suiziden und der hinterbliebenen Personen ermöglicht, die in dramatischen Szenarien bezeugen müssen, wie eine Pandemie doppelt tödlich wirkt. Der eindrucksvolle Versuch mit dokumentarischen Artefakten und Animationen nachzuvollziehen, was in der Heimat vor sich ging.
Lobende Erwähnung im Deutschen Wettbewerb
You do not leave traces of your presence, just of your acts (Regie: Gernot Wieland)
JURYBEGRÜNDUNG
Bilder von Knetfiguren, Zeichnungen und Super-8-Material synchronisieren sich mit der poetischen Erzählstimme oder gehen ganz eigene Wege. Mal führt uns der Text, mal die Einzelbilder, die sukzessive zu Symbolen und Allegorien für Erinnerungen werden. Eine besondere Reise. Wir schweifen ab, gehen verloren und sammeln uns wieder. Nicht alles bleibt fassbar in unserer Erinnerung, manches schimmert, manches verliert sich, und dann kommen sie doch — Momente großer Klarheit. Diese gleichmäßig vorgetragenen Momente treffen uns wie Satzpfeile. Filmsequenzen, die es ermöglichen, eine Bewusstseinsebene des Autors anzuspüren, die auf traumatisierende Ereignisse in der Jugend zurückgeht. Eine einzigartige Filmsprache, die ausgehend von der persönlichen Biografie Blickpunkte auf gesellschaftliche Schieflagen ermöglicht.
JURYBEGRÜNDUNG
2021 werden in Japan die Olympischen Spiele mitten in der Covid-19-Pandemie eröffnet. Sie sollten nach der Tsunami- und Reaktorkatastrophe in Fukushima das Zentrum in Tokio erneut mit den 2011 nuklear kontaminierten Zonen verbinden. So wurde Virtual Reality eingesetzt, um 360-Grad-Bilder der Olympischen Spiele als Virtual-Reality-Livestream in die sich nur langsam erholende Region um Fukushima zu übertragen.
Im Film von Yuichi Watanabe steigen auch wir selbst in eine Virtual-Reality-Brille und blicken durch die Linse einer 360-Grad-Kamera auf den Kontext der Olympischen Spiele. Gleich zu Beginn befinden wir uns im Umfeld des Megaevents, mitten zwischen aufgeregten Presse-Kameras, und versuchen, ihren Blicken zu folgen – wir werden selbst zu dokumentarischen Kameras, die kopfdrehend nach dem richtigen Ausschnitt, dem entscheidenden Indiz suchen.
Einige Szenen später stehen wir am Schauplatz der Katastrophe. Wir begleiten eine Person, die durch einen weißen Ganzkörper-Schutzanzug und eine schwarze Virtual-Reality-Brille von der Außenwelt abgeschirmt ist – wahrscheinlich sieht sie gerade die Olympischen Spiele in VR. Wir fahren durch die Straßen der damals noch teilweise evakuierten Stadt Ōkuma und suchen nach Spuren der Verwüstung. Vor einer Straßensperre in der Nähe des Kernkraftwerks Fukushima Daiichi singt uns diese Figur ein Lied, während sie mit jeder Zeile ein Stück weiter um uns herumgeht und uns dazu bringt, uns mit ihr mitzudrehen. Sie singt: „We can change the world, if we want it. Open your eyes!“
Dieser Virtual-Reality-Film setzt sein Medium auf schlaue, witzige und freundliche Weise in Szene – kein anderes Medium könnte diese Botschaft auf diese Weise transportieren. Virtual Reality macht uns hier zu Forscher:innen, zu Kamera-Führer:innen, zu Suchenden, zu Detektiv:innen, die neugierig nach Indizien Ausschau halten und dabei über die eigenen Füße stolpern.
Lobende Erwähnungen im Virtual Reality Wettbewerb
Bodies of Water (Regie: Chélanie Beaudin-Quinti)
JURYBEGRÜNDUNG
Wir halten den Atem an. Wir sind in Wasser eingetaucht, umgeben von geheimnisvollen Körpern, die durch die Sphäre treiben. Dieses Eintauchen ist vielschichtig: Wir spüren die gemeinsamen Prinzipien von Bewegung, Wahrnehmung und Verkörperung, die sowohl in der Unterwassererfahrung als auch im Tanz zu finden sind. Das Virtual Reality Format verstärkt dieses Erleben.
Die Bewegungen der atemlosen Performer*innen, erzeugen Spannung und bieten zugleich eine multisensorische Erfahrung. Unsere sinnlichen Grenzen verschwimmen, unser Zeitempfinden verschiebt sich – manchmal scheint es sogar stillzustehen. Die sorgfältige Arbeit des Films mit Bewegung, Klang und Licht schafft einen Raum stiller Spannung und körperlicher Präsenz.
Chélanie Beaudin Quintin, Carole Laurin Beaucage und die Tänzer*innen teilen mit uns das Schweben, den Auftrieb und, während sie den Atem anhalten, einen spezifischen, geheimnisvollen psychologischen Zustand. Bodies of Water verbindet ästhetische Raffinesse mit einem tiefgehenden sinnlichen und emotionalen Erlebnis.
JURYBEGRÜNDUNG
Die Hauptprotagonistin in „Ceasefire” Hazira ist eine Überlebende des Massakers von Srebrenica. Auch 30 Jahre nach dem Ende des Bosnienkriegs ist die Mutter und Großmutter immer noch Geflüchtete. Seit Jahrzehnten lebt Hazira in einem Übergangslager im eigenen Land. Es ist berührend und eindrucksvoll, wie sie Einblicke in ihr Trauma zulässt. Der Film ist auf eine schöne, schlichte Weise betrachtend.
Der Titel von Jakob Kreses Kurzfilm, Ceasefire, Waffenstillstand, benennt einen Zwischenzustand. Die Menschen wie Hazira sind erschöpft und verletzlich, aber auch entschlossen, ein gutes Leben zu leben. Immer wieder droht ihnen die Umsiedlung in Appartements.
Die andauernde Vertreibung, das Trauma und der Alltag prägen Haziras Leben und spiegeln die über Generationen andauernden Folgen von Krieg wider. Die unaufdringlich gezogene Parallele zur Ukraine und Gaza durch Kriegsbilder im Fernsehen verweist über das konkrete Schicksal hinaus. „Ceasefire“ erinnert daran, wie brüchig der Frieden selbst nach dem Waffenstillstand von 1995 blieb, als das Abkommen von Dayton den brutalsten Konflikt Europas seit dem Zweiten Weltkrieg formal beendete.
Battle of the Shorts
GEWINNERFILM 1. BATTLE OF THE SHORTS
333,33 EUR gestiftet durch KFFK
Oops! (Regie: Sıla Küçükoğlu)
Eine Begegnung zwischen zwei Aliens, die genauso schnell endete wie sie anfing.


