Dies sind die Gewinner*innen der fünfzehnten Ausgabe des KFFK/Kurzfilmfestivals Köln. Drei Jurys vergaben fünf Preise. Dazu wurden sowohl im Deutschen Wettbewerb als auch im Kölner Fenster je ein Publikumspreis vergeben. Die Jurybegründungen und Dankesvideos der Filmemacher*innen sind hier zu sehen:
JURYBEGRÜNDUNG
Warum klingt das so gestelzt? Warum fühlt es sich so echt an? Was ist überhaupt das Problem? Der Film konfrontiert uns mit Gesprächen die wir alle kennen (vielleicht waren wir selbst schon Teil davon). Behände entsteht das Bild einer Beziehung. Er redet, redet, redet. Sie schweigt, murmelt, winkt ab. Die Kausalität geht verloren, Phrasen wiederholen sich und dann war da wohl noch ein Kind. Gerade weil dieser Film kein Urteil fällt, keine Bewertung trifft, hallt er so lange nach. Das könnten wir sein. Das könnten auf keinen Fall wir sein. Ein dichtes und beeindruckendes Kammerspiel zwischen TikToks und unbeantworteten Textnachrichten, das zeigt, wie Menschen sowohl daran scheitern, einander als auch sich selbst zu verstehen. Der erste Preis geht an “Ich habe dich geliebt”.
JURYBEGRÜNDUNG
In einer Choreographie von Körper und Stahl wird die Seele auf die nächste Ebene des Seins überführt. Der unbezwingbaren Gesetzmäßigkeit und Gewalt des Lebens begegnen die Trauernden voller Kraft und Stolz. Hier ist der Abschied Präzision zwischen Verdichtung und Loslassen, Materie und Emotion. Bild, Bewegung und Ton fügen sich zusammen zu einem poetischen letzten Atemzug. Der zweite Preis der Jury geht an “Salidas”.
JURYBEGRÜNDUNG
Mit Einfühlsamkeit, Ruhe und einer Portion eigenwilligen Humors nimmt uns der Film auf die letzte Reise. Die meisterhaft von Hand gemalten Einzelbilder erschaffen eine düstere Atmosphäre, die durch ihre pulsierenden Neonfarben und sich ständig wandelnden Formen jedoch keinesfalls bedrückt. Das Leben windet sich und will noch weitergehen, doch das Herz kann nicht mehr. Die unterschiedlichen Erzählstränge der Figuren kommentieren bzw. verweisen auf sensible Weise auf aktuelle Themen ohne belehrend zu sein. Diese spielerische Qualität verleiht der Unausweichlichkeit des Endes eine Leichtigkeit. Vor der ewigen Dunkelheit wollen wir aber noch ein letztes mal essen, küssen und singen. Was danach kommt, weiß selbst die Kapitänin nicht. Der dritte Preis geht an “Doom Cruise”.
JURYBEGRÜNDUNG
CAVES
Der 360°-Film “Caves” von Carlos Isabel Garcia nimmt uns mit an einen sehr gefährlichen, unerforschten Ort, den wir wohl ohne diesen Film niemals sehen würden. Das Werk geht in der immersiven Bilddynamik über das dokumentarische hinaus und gleichzeitig geben die Bedingungen auch keine normale filmische Machbarkeit her. Man erlebt unmittelbar die Enge der Gänge, die allgegenwärtige Dunkelheit Untertage und man kann nur das sehen, was die Höhlenforscher mithilfe der Helmlampen sehen können. So wird unser Blick durch eine unwirkliche Szenerie geleitet. Was hier nach einem Spiel klingt, ist aber in der Wirklichkeit der Höhlenforschenden ein lebensbedrohendes Extrem. Essen, Trinkwasser abzapfen, Schlafen — all das findet tief unten im Berg statt.
Diese Extreme werden uns durch die teilweise handgeführte Kameraperspektiven und durch ungewohnte statische Kamerapositionen vermittelt. Es gibt keinen besonderen Höhepunkt im Film: sehen, miterleben und ja — es wieder an die Erdoberfläche schaffen. Es klingt so platt wie zutreffend: In „Caves“ taucht man sprichwörtlich so sehr ab, wie es ein Flat-Film niemals ermöglichen kann und wir können mit Rundumblick dabei sein.
#PRISONERSVOICE
“Prisonersvoice” von Nikita Bohdanov erzählt über Erlebnisse politischer Gefangenschaft, Willkür und unmenschlicher Zumutungen mit grafischer Abstraktion. Die ruhigen 3D-Raumszenen bieten uns eine unvorstellbare Realität und nehmen uns als Betrachter mit an die Orte der Gewalterinnerung. Hier zeichnen sich die sehr gelungene Szenen und die Standpunktauswahl in VR aus, die uns eben gerade keine fotorealistischen Eindrücke zumuten. Wir folgen der Geschichte durch einen Ich-Erzähler, der die Erlebnisse dreier Gefangenen in der Ukraine erzählt.
Es ist eine Art erlebbare Graphic Novel, die zeigt wie intensiv Geschichten erzählt werden können — so wie es “klassische” Filme/Animationen kaum schaffen. Hier spürt man das enorme Potential der immersiven Technologien, die uns allerdings auch die Fragen nach Manipulation und Willkür mit der Geschichte durch Filmwerke aufgeben, die uns zum Hinterfragen von Wahrheit und Verantwortung leiten. Die virtuelle Abstraktion leitet uns emotional in den immersiven Räumen, die Betrachter*innen jeweils subjektiv wahrnehmen. Die Perspektive der Figuren im Film kann/ muss jeder selbst einnehmen und prüfen.
JURYBEGRÜNDUNG
Mit Found Footage, also ‘gefundenem Material‘, aus den Tiefen des Internets geht es den Künstlerinnen um das Verhältnis zwischen Mensch und Tier in Bezug auf das Jenseits. Kommen Tiere in den Himmel? Nur die geliebten Haustiere oder alle, etwa auch die aus Massentierhaltung? In welchem Zustand und in welcher Form werden ihnen Menschen dort wiederbegegnen?
In einer Zeit, in der Tiere als Begleitung für Menschen noch wichtiger geworden sind, werden in “Biting the Dust” unterhaltsam, dabei tiefsinnig, widersprüchlich und inspirierend Fragen innerhalb des christlichen fundamentalen Glaubens behandelt. Besonders mochte die WDR-Jury die gleichzeitig offene und doch stringente Erzählweise, die zwischen der Absurdität fundamentaler Glaubenssätze und allgemeingültigen existentiellen Fragen über das Jenseits die Gedanken anregen und springen lassen. Sehr präzise und gelungen ist der Umgang mit Realfilmmaterial und computeranimierten Found Footage durch den Sound aus elektronischer Musik und christlichen Chorälen. Am Ende steht dann die ernüchternde objektive Aussage, dass es weder Franz von Assisis gesegnete Tauben, noch Katzen, Hunde, die Schweine aus der Massentierhaltung oder das weiße Pferd, auf dem Jesus geritten ist, in den Himmel schaffen. Sie werden einfach nur in den Staub beißen, “Biting the Dust”.