1. JURYPREIS — PREIS DER KÖLNER FILMPRODUZENTEN
dotiert mit 1.800 € gestiftet von Augenschein Filmproduktion, btf – bildunttonfabrik und Zeitsprung Pictures
Die wahre Nacktheit
Regie: Alexander Pascal Forré
Mit Penissen und lauten Auffälligkeiten Aufmerksamkeit zu erhaschen, ist gängige Praxis junger Männer, doch wirklich anstößig oder provokativ ist es nicht mehr. Es führt höchstens zu Lachern oder Abwehrreaktionen, auch die alten Videoaufnahmen zeugen davon.
Zwischen dem Grölen seiner Kollegen und den nüchternen Beurteilungen der Lehrkräfte und Psychologen versucht Alexander durch den poetischen Ausdruck und Selbstreflexion eine eigenwillige Rückeroberung seiner Bilder. Die ursprünglich zur Belustigung dokumentierten Videoaufnahmen werden in einem künstlerischen Prozess umgedeutet und neu interpretiert.
In einer Zeit hochauflösender und gefilterter Selbstdarstellung schafft es dieser uneitle Film, eine in ihrer Menschlichkeit politische Ebene zu erreichen. Wie die Figur Alexander lockt sie zuerst durch Fremdscham und Belustigung, um am Ende eine schmerzhafte Traurigkeit zu hinterlassen. Der eingangs be- und verurteilende Blick wird in Frage gestellt, Kategorien verschwimmen — die Selbstdarstellung als eine Form der Selbstausbeutung. Die wahre Nacktheit ist keine bloße körperliche, sondern eine Entblößung der Innenwelt. Somit ist dieser Film wirklich anstößig.
2. JURYPREIS
dotiert mit 1000 € gestiftet durch die SK Stiftung Kultur
The Bitter with the Sweet
Regie: Ann Sophie Lindström
Ein Paar in den Zärtlichkeiten der Gewöhnung, immer zwischen Umarmung und Würgegriff. Unterdrückte Konflikte treten unweigerlich hervor, brechen sich Bahnen als Gewalt und Demütigung. Aus der persönlichen Ohnmacht scheinen sie keinen Ausweg zu finden. Im Partner erkennen sie das eigene Scheitern, welches sie längst lieben lernen mussten. Zwei ewige Infantile flüchten sich in Metaphern, spielen Cowboy und Indianer, ohne darin Trost zu finden. Eine Trennung gelingt noch weniger als die Beziehung. Ein eindeutiges Urteil über das Paar in der Endlosschleife ist nicht möglich. Ist es doch noch ein Happy End oder nicht?
So zeigt The Bitter and the Sweet in seinen schmerzhaft nahen Momenten ein reines Bild einer Paarbeziehung. Der Dokumentarfilm wird Teil eines Zusammenseins, zu Zeuge, Beichtvater und Vermittler in Einem. Es gelingt ein wahrhaftiger Film über die Komplexität von Abhängigkeits- und Liebesbeziehungen, ehrlicher als das Kino es sonst erlaubt.
3. JURYPREIS
Colorgrading (1 Studiotag) gestiftet von WeFadeToGrey
Imperial Valley
Regie: Lukas Marxt
Einem Raumschiff gleich schwebt der Film über endlose Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung. Kameradrohne und Mensch beschleunigen, bis die Welt eine Sammlung von Texturen wird, zuerst ein fremder Planet, dann ein Abstraktum. Dazu eine Musik, die an dystopische SciFi-Filme vergangener Zeiten erinnert. Im Anthropozän ist die Industrie zu Landschaft geworden. Aus Chaos wurde geometrische Ordnung, die bittere Schönheit des Verwalteten, der man sich kaum entziehen kann.
Ein politisches Statement, dass sich auch in seiner Klarheit und Dringlichkeit nie auf einen Slogan reduzieren lässt.
WDR-PREIS
im Deutschen Wettbewerb und Kölner Fenster
Ankauf des Gewinnerfilms durch den WDR (in den vergangenen Jahren bis zu 5.000 €)
Schildkröten Panzer
Regie: Tuna Kaptan
Den WDR-Preis beim Kurzfilmfestival Köln (KFFK) 2018 erhält Tuna Kaptan für seinen Dokumentarfilm „Schildkröten Panzer“. Ausgehend von einem ungewöhnlichen Ort, der Auffangstation für Reptilien in München, werden die Geschichten der beiden Protagonisten Kinda und Ben über Flucht, Migration und Krieg in tiefer Weise verständlich gemacht. Die Syrerin Kinda besucht in der Reptilienstation ihre Schildkröte Aise, auf deren Panzer Kinda die Fahne der syrischen Rebellen gemalt hat. Der deutsche Soldat Ben soll vor seinem UN-Einsatz in Mali in der Reptilienauffangstation den Umgang mit Schlangen lernen. Die Schildkröte hat Kinda auf ihrer gesamten Flucht über die Türkei und den Balkan bei sich gehabt, bis die deutschen Behörden sie ihr abgenommen haben. Da sind alle vor den deutschen Behörden gleich, erklärt ihr der Leiter der Reptitilienstation. Selbst dem Papst oder Assad hätte man die Schildkröte weggenommen. — Besonders gefallen hat der Jury die feine Lakonie der Erzählhaltung und die Ästhetik der Umsetzung: Der Ort der Reptilienstation wird von Tuna Kaptan zurückhaltend, aber präzise, in Szene gesetzt. Aufnahmen von der Tierfütterung in Zeitlupe und gesetzte Zäsuren werden mit dem Schicksal der Protagonisten verwoben und lassen ein komplexes Bild von Flucht und Krieg entstehen.
VIRTUAL REALITY WETTBEWERB
dotiert mit 500 € gestiftet von btf – bildundtonfabrik
Eyes in the Red Wind
Regie: Sngmoo Lee
„Eyes in the Red Wind“ findet für die noch ungewohnte Präsenz des Zuschauers im 360-Grad-Film eine schlüssige Rolle: die eines Geists. Körperlos schwebt man als
Geist eines Ertränkten über einem Schiff und beobachtet die eigene Totenfeier. Niemand kann ihn sehen, doch zur Passivität ist dieser Geist eines Ermordeten nicht
verdammt: Ein Schamane agiert auf dem Schiff seinen letzten Willen aus – mit blutigen Folgen. Sngmoo Lees Film war für uns aus der Auswahl der VR-Filme des
Festivals der Beitrag, der mit der überzeugendsten Grundidee und souveräner Erzählökonomie die spezifischen Vorteile des noch jungen Mediums nutzt.